Der Schritt von der Schule in die Berufswelt überfordert viele Jugendliche. Institutionen wie das Berufsvorbereitungsjahr helfen, den Weg zur passenden Lehrstelle zu ebnen. Ein Podiumsgespräch mit Lernenden, Lehrpersonen und Lehrlingsverantwortlichen zeigt die Bedürfnisse auf.
„Man muss ganz genau wissen, warum man diesen Beruf in diesem Betrieb erlernen will“, meint Guilherme Bidarra auf die Frage nach den Gelingensbedingungen einer erfolgreichen Lehrstellensuche. „Es reicht nicht, das gleiche Bewerbungsschreiben immer wieder zu verschicken.“ Bidarra weiss, wovon er spricht: Der 19-jährige absolviert derzeit die Lehre zum Restaurationsfachmann, besuchte zuvor die Berufswahlschule (BWS) in Bülach und hat selbst etliche Bewerbungen verschickt. Gleich wie Ahmed Turkic, der heute eine kaufmännische Lehre macht. Über das Berufsvorbereitungsjahr verlieren beide nur lobende Worte: In der Berufswahlschule hätten sie ihre Stärken kennengelernt, sich intensiv mit ihren Wunschberufen auseinandergesetzt und gelernt, gute Bewerbungen zu schreiben. „Das zusätzliche Jahr hat mir extrem weitergeholfen“, so Turkic resümierend.
Anlass für die Rückschau der beiden Lernenden bot der jährlich stattfindende Gewerbehalbtag der Sekundarschule Bülach, der heuer an der BWS Bülach ausgetragen wurde. Im Rahmen eines Podiumsgesprächs diskutierten Bidarra und Turkic mit Lehrpersonen, Lehrlingsverantwortlichen und einer Berufsberaterin über die Gelingensbedingungen für den Übertritt in die Berufslehre. Dass das Podium an der BWS stattfand, kommt nicht von ungefähr: Die Berufswahlschule begleitet Jugendliche ganz explizit beim Überqueren der Brücke von der Schule ins Berufsleben. Und ist dabei äusserst erfolgreich: Sämtliche Lernenden verlassen die Schule in der Regel mit einer Anschlusslösung.
Lehrabbrüche vermeiden
Monieren Kritiker, das Berufsvorbereitungsjahr sei als teurer Zwischenhalt für berufswahlfaule Sekundarschüler überholt, zeichnet die Praxis ein radikal anderes Bild: Allein letztes Jahr wurden im Kanton Zürich 3614 Lehrverhältnisse vorzeitig aufgelöst. Bei gleichzeitig 12‘253 neu abgeschlossenen Lehrverträgen resultiert eine prospektive Auflösungsquote von über einem Viertel aller Lehrverträge. Einer der Gründe: eine missglückte Berufswahl. Lehrabbrüche sind dabei mit hohen Kosten verbunden, für Lehrbetriebe, Jugendliche und auch für die Gesellschaft – insbesondere bei Nichtwiedereintreten in eine Berufsausbildung. Entsprechend gross ist der Wille der beteiligten Akteure, Lehrabbrüche zu reduzieren. Eine der Massnahmen: Statt auf professionelle aber uniforme Bewerbungen setzt Confiserieunternehmer Mischa Klaus auf den persönlichen Kontakt mit den Lernenden: „Bei mir kann man sich erst bewerben, wenn man eine Woche geschnuppert hat und weiss, dass der Beruf gefällt.“ Milutin Tesic, Ausbildungsverantwortlicher bei Coop, pflichtet bei: „Wenn sich jemand für den Detailhandel entscheidet, muss ich die Freude an der Branche spüren. Das ist wichtiger als das Komma am richtigen Ort.“ Begeisterung für Beruf und Branche entwickeln und die richtige Berufswahl treffen: Die Berufswahlschule Bülach verfolgt diese Ziele ihrerseits mit einer systematischen Unterstützung der Jugendlichen im Berufswahlprozess, beginnend mit der Ich-Findung und einer eingehenden Abklärung des Berufswunsches. Folgeschritte sind die Vermittlung von Bewerbungs-Know-how und die Vorbereitung auf die Herausforderungen der Berufslehre. Dazu gehört auch ein geübter Umgang mit Stress: „Viele Lehrlinge brechen ihre Ausbildung ab, weil sie strenger ist als gedacht. Deshalb versuchen wir auch, die Jugendlichen stressresistenter zu machen“, erklärt Danny Koopman, Co-Rektor der BWS Bülach, mit Verweis auf Übungen in Arbeitsorganisation und Zeitmanagement. Der Erfolg gibt Koopman recht: Lernende, die nach der BWS in die Berufslehre übertreten, brechen die Lehre seltener ab als ihre Mitlernenden direkt aus der Sekundarschule.
Unterstützungsbedarf erkennen
Philipp Böker, Lehrer der Sekundarschule, gibt zu, dass das Begleiten der Schüler im Berufswahlprozess nicht immer einfach sei. Es gebe grosse Unterschiede zwischen den Jugendlichen. Umso mehr schätzt Böker die Unterstützung der Fachleute im BIZ und Angebote wie die Berufsmesse oder der gemeinsam mit dem Gewerbeverein durchgeführte Berufswahlparcours. „Wir kennen unsere Schüler und wir geben unser Bestes, aber natürlich sind wir keine Profi-Berufsberater“. Für Claudia Hunn, selbst Berufsberaterin, und Andreas Sägesser, Dozent an der Pädagogischen Hochschule Zürich, ist dies auch nicht notwendig. Die beiden sind sich einig, dass sich die Angebote von Oberstufe, Berufswahlschule und BIZ gut ergänzen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Jugendlichen nachzukommen. „Junge Menschen sind unterschiedlich, deshalb brauchen auch nicht alle die gleiche Unterstützung.“