Rendezvous mit dem Waldmenschen

Erstmals markierte die Berufswahlschule Bülach den Start ins neue Schuljahr mit einer dreitägigen Schulverlegung ins Entlebuch. Grenzerfahrungen vor ungewohnter Kulisse waren dabei Programm.

Mit einem gellenden Schrei lässt sich Arlinda Balaj in die Arme ihrer Mitlernenden fallen, von einem knorrigen Baumstrunk, rückwärts und mit geschlossenen Augen. „Das brauchte gerade eben schon etwas Mut“, resümiert die 15jährige Berufswahlschülerin, die eine Lehre als Kauffrau anstrebt. Und Vanessa Cardinale, ebenfalls Schülerin im kaufmännischen Profil, ergänzt: „Man muss den anderen wirklich vertrauen, das finde ich richtig spannend.“ Was nach Nervenkitzel und Pfadilager tönt, ist Teil der externen Kennenlerntage der Berufswahlschule Bülach. Heuer packten insgesamt 188 Lernende des Bülacher Berufsvorbereitungsjahres ihre Koffer, jeweils vier Klassen verreisten in den letzten Wochen zusammen mit ihren Lehrpersonen für drei Tage ins Entlebuch, nach Sörenberg. „Der Start in ein neues Schuljahr ist immer etwas Spezielles, doch an der Berufswahlschule bleibt keine Zeit für einen gemütlichen Einstieg. Die Jugendlichen bleiben nur ein Jahr an der Schule und viele Lehrstellen werden schon im Herbst vergeben“, umschreibt Reni Nienhaus, Mitinitiantin der Kennenlerntage und selbst Klassenlehrerin an der Schule, die Bedingungen, die zur Schaffung der drei Schultage am Fusse des Brienzer Rothorns führten. „Jugendliche wie Lehrpersonen müssen sich gegenseitig schnell kennenlernen.“ Die Ressourcen der Schülerinnen und Schüler zu kennen, sei für Lehrpersonen insbesondere mit Blick auf das Berufswahlcoaching zentral. Daneben sei das Bewusstsein für die eigenen Ressourcen aber auch für die Lernenden ein wichtiger Schritt hin zur Berufswahlreife, so Nienhaus weiter.

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Erlebnispädagogik als Herzstück

Um ihre Ziele zu erreichen, haben Schulleitung und Lehrpersonen nicht nur selbst verschiedene Module entworfen, die ein spielerisches Kennenlernen und eine Auseinandersetzung mit der Berufswahl ermöglichen. Die Bülacher haben sich zusätzlich auch Hilfe aus dem Aargau geholt: Der Erlebnispädagoge Daniel Busslinger entführte die Lernenden in den Wald, ins Dickicht von Bäumen und Heidesträuchern, in eine für viele Jugendliche ungewohnte Umgebung. „Der Wald ist ein Ort, wo Schüler in eine Unsicherheit geführt werden, ein Ort, der Chancen bietet, neue Erfahrungen zu machen und versteckte Fähigkeiten zu entdecken.“ Das Schulzimmer sei für die Lernenden meist bereits mit Bedeutung gefüllt, der Wald hingegen ein noch unbesetzter Raum, so der selbsternannte Waldmensch aus Baden. „Die Umgebung hat einen Einfluss auf unser Verhalten, darauf, wie sich Personen und Gruppen öffnen. Es ist sehr berührend zu sehen, wie Schüler teils sehr Persönliches mit der ganzen Klasse teilen.“ Der 46jährige sucht damit ganz bewusst ein Klima des gegenseitigen Vertrauens, das nicht zuletzt beim Sprung vom Baumstrunk, dem sogenannten Verrtrauensfall, augenfällig wird. Schüler Owen Ogieva fasst pointiert zusammen: „Die Waldsequenz hat uns allen gezeigt, dass wir uns gegenseitig vertrauen können.“ Ziel erreicht? Marianne Blank, Klassenlehrerin und ebenfalls Mitglied im Organisationsteam, bejaht: „Die Schüler sind sich innerhalb der Klasse und auch zwischen den Klassen näher gekommen. Genau so, wie wir uns das vorgestellt haben.“ Kennenlerntage, die Lehrende und Lernenden zusammenführen, ohne finanzielle Unterstützung der Hirschmann-Stiftung in dieser Form aber nicht möglich wären. Die Stiftung unterstützt Projekte mit integrativem Charakter, welche die Überwindung kultureller Barrieren ins Zentrum rücken. Ein klares Ziel der Kennenlerntage. Michela Papleka und Elvira Korça, beide Schülerinnen der Klasse Sprache und Integration, ziehen denn auch eine entsprechend positive Bilanz: „Es war super, aber wir haben sehr wenig geschlafen, weil wir so viel zu diskutieren hatten.“

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