Einmal wöchentlich simulieren Lernende der Berufswahlschule Gründung und Führung eines Kleinbetriebs. Als Jungunternehmer erlernen sie betriebswirtschaftliche Grundlagen und stellen sich unternehmerischen Herausforderungen.
Noch einmal nimmt Sergej Zimmermann das Papierbündel mit den Kennzahlen des letzten Geschäftsjahrs zur Hand, versucht mit markigen Worten und nackten Zahlen seine Geschäftspartner zu überzeugen: Gleiche Qualität, höherer Preis, die Umweltfaktoren bedingen es. „Wir führen in unserer Gruppe harte Diskussionen – nur wer seine Position gut vertreten und mit Argumenten untermauern kann, setzt sich durch“, erklärt der 17jährige, der im Sommer seine Lehre als Kaufmann in Angriff nimmt. Sergej ist einer von zwanzig Lernenden, die an der Berufswahlschule Bülach die Berufsfeldklasse Wirtschaft & Verwaltung und damit das Fach „Übungsfirmenprojekt“ besuchen. Einmal wöchentlich schlüpfen die angehenden Berufslernenden für 45 Minuten in die Rolle eines Jungunternehmers, bestimmen die Geschicke ihres Unternehmens, das sie jeweils zu dritt gegründet haben und während fünf Jahren führen. Nicht im Reallife, sondern fiktiv mithilfe der computergestützten Wirtschaftssimulation EcoStartup, mit der bis zu 10 Schülergruppen mit ihren jeweiligen Unternehmen zueinander in Konkurrenz treten können.
Einblick in unternehmerische Herausforderungen
Während die Lernenden nach unternehmerischem Erfolg trachten, verfolgen Lehrpersonen wie Softwareentwickler das Ziel, den Jugendlichen betriebswirtschaftliche Grundlagen wie auch Einblicke in die Zusammenhänge eines Kleinbetriebes zu vermitteln. Danny Koopman, Co-Rektor der Berufswahlschule und selbst langjähriger Klassenlehrer der Wirtschaftsklasse, erklärt: „Mit EcoStartup haben wir uns für eine vielseitige Simulation entschieden, die den Lernenden viele Möglichkeiten zur Einflussnahme bietet und dabei den Gründungsprozess sehr realitätsnah abbildet.“ Das kommt bei den Schülern an: Sergej findet EcoStartup eine gute Sache, auch er attestiert der Simulationen einen grossen Realitätsbezug: „Ich denke, wir haben viel von den Herausforderungen einer Unternehmensgründung mitbekommen.“ Soviel, dass der Berufswahlschüler mit Kollegen bereits über ein eigenes Unternehmen im realen Leben nachdenkt. Auch wenn er sogleich relativiert: „Allerdings gibt es in der Realität sicherlich noch etliche Herausforderungen mehr, die wir nicht simulieren konnten.“
Realitätsnah besser als die Realität
Angesichts dessen im realen Leben und mit echtem Geld zu üben, ist für Co-Rektor Koopman dennoch keine Option mehr: „Als wir vor 8 Jahren mit dem Übungsfirmenprojekt begannen, haben wir tatsächlich echte Firmen gegründet, Partys organisiert, bei denen es auch um richtiges Geld gegangen ist.“ Gestört hat Koopman der dabei vorherrschende Kapitalismus: „Es ist nur noch um Geld und Fun gegangen, die Inhalte rückten in den Hintergrund.“ Entsprechend glücklich ist der Co-Rektor mit der heutigen Lösung, die den Fokus nicht nur auf die Vermittlung von Fachwissen legt, sondern auch Sozial- und Methodenkompetenzen fördert. „Das stete Zusammenspiel von Kooperation und Konkurrenzdenken zeichnet das Programm aus: Die Lernenden sind gefordert, gemeinsam nachzudenken und Lösungen zu suchen, wie sie mit ihrem Unternehmen im Wettbewerb bestehen können.“ Die Aufgabenstellungen verlangen nebst betriebswirtschaftlicher Grundlagen auch Informatikkenntnisse, Fachwissen aus dem Buchhaltungsunterricht oder geschulte Auftrittskompetenzen – nicht selten gleichzeitig im Zusammenspiel. „Das Übungsfirmenprojekt ist für die Schülerinnen und Schüler stets mit leichter Überforderung verbunden. Und das ist ganz gut so“, so Koopman im Resümee.